Prof. Dr. Rudolf Kuhn
05.06.1939 - 09.03.2022
Am Mittwoch, 09.03.2022, verstarb Prof. Dr. Rudolf Kuhn, emeritierter Professor für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte.
Rudolf Kuhn wurde 1939 in Düsseldorf geboren und wuchs in Arnsberg/Westfalen und ab 1956 in Überlingen am Bodensee auf. Er absolvierte sein Studium an den Universitäten Freiburg, München, Wien und Tübingen in Germanistik, Geschichte und Kunstgeschichte. Zu seinen Lehrern gehörten Martin Gosebruch, Erich Hubala und der aus der Emigration in London zurückgekehrte Kurt Badt. Kuhn wurde 1966 von der Philosophischen Fakultät der Universität München promoviert und habilitierte sich an ihr 1971.
Nach einer Lehrstuhlvertretung in Saarbrücken 1975/76 wirkte Kuhn von 1977 bis zu seiner Emeritierung 2002 als Professor für Kunstgeschichte an der Universität München. In seinen eigenen Worten fasste er zusammen, was er als die Hauptaufgabe seiner Forschungen ansah: „In Forschung und Lehre suchte ich zu klären, wie ein Maler (oder Bildhauer/Plastiker) das, was er sichtbar machen, darstellen wollte, im Einzelnen figurierte und im Gesamten oder Ganzen seines Bildes syntaktisch artikulierte, wie er seine eigene Lebenserfahrung und die seiner Mitbürger aus dem gemeinsamen Leben und der gegenseitigen Beobachtung in Bildern und Bilderfolgen (d.h. Zyklen, Serien), zumeist anhand von geläufigen Geschichten, und diese Geschichten selbst, geklärt, bewußt und anschaubar machte; ich suchte beizutragen zu einer Art Philologie, Rhetorik, auch Rhythmik, insbesondere der Malerei, einschließlich des Werkprozesses, dieses nun nicht theoretisch, sondern – zu einer möglichen Theorie jederzeit zwar offen, doch: - einfach, empirisch, mit besonderem Augenmerk auf Wiederkehrendes.“
Rudolf Kuhn verfasste eine Reihe grundlegender Werke auf dem Gebiet der Italienischen Malerei und Skulptur des Mittelalters und der Renaissance sowie über einige der Hauptmeister des Europäischen Barock. Darunter sind Michelangelo: Die sixtinische Decke (1975), Komposition und Rhythmus. Beiträge zur Neubegründung einer historischen Kompositionslehre (1980), Gian Lorenzo Bernini. Gesammelte Beiträge zur Auslegung seiner Skulpturen (1993), Erfindung und Komposition in der monumentalen zyklischen Historienmalerei des 14. und 15. Jahrhunderts in Italien (2000) und Studienkunst vs. Phantasiekunst. Leonardo, Tizian und die Naturwirklichkeit (2011).
Rudolf Kuhn war in seiner langjährigen Tätigkeit an der LMU besonders in der akademischen Selbstverwaltung aktiv, so als Dekan der Philosophischen Fakultät für Geschichts- und Kunstwissenschaften in den Amtszeiten 1981/83, 1993/95 und 1995/97, und im Akademischen Senat der Universität München in den Amtszeiten 1986/88, 1990/92 und 1998/2000. Als Dekan setzte er sich insbesondere für die Einrichtung des Lehrstuhls für Jüdische Geschichte und Kultur und der Professur für die Geschichte der Islamischen Kunst ein. Er war aktiv in der Stiftung für Jüdische Geschichte und Kultur in Europa und wirkte von 2000 bis zu seiner Emeritierung 2002 als erster Vorsitzender des Kuratoriums des Freundeskreises des Lehrstuhls. Zudem war er auch an der Entstehung des Lehrstuhles für Zeitgeschichte, beteiligt und konnte gemeinsam mit dem damaligen Kultusminister Zehetmaier und Rektor Heldrich den Spatenstich zum Bau des Historicums vollziehen.
Sein Einsatz für den Studienaustausch mit Israel resultierte in einem Stipendienprogramm für Studierende der Universität Tel Aviv an der LMU. Viele heute international angesehene Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sind im Rahmen dieses Programms nach München gekommen. Für seinen Einsatz für die deutsch-israelische akademische Kooperation erhielt er im Januar 2001 den President's Award der Tel Aviv University aus der Hand des Präsidenten Itamar Rabinovich. Ehemalige Stipendiaten der Universität Tel Aviv hielten am 3. Januar 2001 in der Wiener Library der Tel Aviv University ein Symposion zu Ehren Rudolf Kuhns ab.
Mit Rudolf Kuhn ist auch ein für seine Gastfreundschaft und Kollegialität bekanntes Mitglied unserer Fakultät von uns gegangen. Gemeinsam mit seiner Frau, Annemarie Kuhn-Wengenmayr, war es ihm eine besondere Freude, Kolleginnen und Kollegen in ihrer Wohnung in Neuhausen zusammenzubringen. Dabei sind zahlreiche Freundschaften entstanden, die weit über den beruflichen Rahmen hinausgingen.
Nach seiner Emeritierung und dem Tod seiner Frau lebte Rudolf Kuhn zurückgezogen und verstarb am 9. März 2022 nach langer, schwerer Krankheit. Sein Wirken hat entscheidende Weichen in Bezug auf das Gefüge unserer Fakultät gestellt und wird im Kreise der Kolleginnen und Kollegen noch lange in Erinnerung bleiben.
Prof. Dr. Michael Brenner
1996: Spatenstich für den Neubau des Historicums in der Schellingstr. 12, von links nach rechts: Prof. Dr. Rudolf Kuhn, Dekan der Fakultät für Geschichts- und Kunstwissenschaften; Prof. Dr. Andreas Heldrich, Rektor der LMU; Hans Zehetmair, Kultusminister; Klaus Bäumler, BA-Vorsitzender; Rainer Franz, Leiter der Bauabehörde. Foto: Stefan Primbs